Valerie Hohl und ihr Freund Sandro reisen während zwei Wochen durch das norwegische Inselreich Lofoten. Unterwegs begegnen sie einem Flughafen im Miniformat, ein bisschen Seychellen und arktischen Surfern.
Typisch Schweizer, denkt sich Valerie Hohl, als sie mit ihrem Freund eineinhalb Stunden vor Abflug und damit überpünktlich am Flughafen Svolvær eintrifft. Es ist noch kein Mensch hier. Bis auf eine Angestellte, die sich bald als Multitalent entpuppt. Das Flughafengebäude ist winzig, oder anders gesagt – der Flughafen Bern-Belp ist riesig im Vergleich. Es gibt nebst einem kleinen Wartebereich ein Pult und eine Waage; das ist der Check-in-Schalter. Die Flughafenangestellte begrüsste das junge Paar, kontrollierte die Pässe und händigt die Bordkarten aus. Sie ist aber nicht nur fürs Check-In zuständig, sondern amtet auch als Sicherheitsbeamtin und Fluglotsin. Valerie kann sich ein Lächeln nicht verkneifen. Ungefähr eine halbe Stunde vor Abflug treffen die ersten anderen Passagiere ein. Es sind alles Einheimische und jedes Mal, wenn jemand den Raum betritt, drehen sich alle um und begrüssen die Neuankömmlinge mit einem «Hei». Jeder kennt jeden, so scheint es. Für sie ist das Fliegen wie für uns eine Fahrt von Zürich nach Olten, findet Valerie. Mit ihren Koffern, die sie selbst aufs Rollfeld ziehen, steigen sie und ihr Freund ins Flugzeug. Der rund 25-minütige Flug von Svolvær nach Bodø ist für die beiden ein ganz besonderes Erlebnis, weil sie die Lofoten aus einer komplett neuen Perspektive betrachten können. Bei Sonnenuntergang und mit herrlicher Aussicht lassen sie ihre Ferien nochmals Revue passieren.
Zwei Wochen vorher reisen Valerie und Sandro von Zürich via Oslo nach Tromsø. Mitten in die Lofoten, in eine vor Blau und Grün strotzende, mystische Landschaft. Die Inselgruppe vor der Küste Norwegens mit ihren 80 Eilanden wurde von verschiedenen Reisemagazinen mehrfach zu den schönsten Inselreisezielen der Welt gewählt. Zu recht: Mit der hoch aus dem Atlantik ragenden Lofotenwand, unzähligen Wasserfällen, märchenhaften Buchten und verträumten, einsamen Stränden bieten die Lofoten eine einzigartige Vielfalt. Der Name Lofoten lässt sich ableiten von Lofotr, was soviel wie Luchsfuss bedeutet. Luchse lassen sich jedoch nicht blicken; wer Glück hat, begegnet unterwegs Elchen und Füchsen, Papageitauchern und Seeadlern.
Darauf haben es Valerie und Sandro nicht abgesehen. Die beiden Outdoorfans wollen vor allem die Landschaft geniessen, wandern und einfach Zeit zum Abschalten haben. Ihre Mietwagenrundreise beginnt in Tromsø, dem Paris des Nordens. Seefahrer im 19. Jahrhundert verpassten der Stadt diesen Beinamen, nachdem sie überrascht feststellten, dass die Bewohner chic und kultiviert waren und nicht wie erwartet hinterwäldlerisch. Valerie und Sandro sind müde, als sie in Tromsø ankommen. Statt wie geplant selbst zu kochen, gönnen sie sich ein Abendessen im Restaurant und lernen dabei eine junge Ungarin kennen. Sie ist, wie viele andere Gastarbeiter aus Südosteuropa, in den Hohen Norden gezogen, um hier ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Sie erzählt davon, dass immer mehr neue Hotels entstehen und die Region derzeit einen kleinen Bauboom erfährt. Aber auch vom harten Leben im Winter, wenn es stockdunkel ist und die Nordlichter mit ihrem Farbenspiel für die Strapazen entlöhnen. Im Sommer zeige sich die Natur umso schöner, denn von Mitte Mai bis Ende Juli scheint die Sonne nonstop.
Die Frau empfiehlt dem Schweizer Paar einen Besuch in der berühmten Eismeerkathedrale, wo oftmals Mitternachtskonzerte für Hurtigruten-Reisende stattfinden. Für jene, die nicht so viel mit Musik anfangen können, sei ein Abstecher zu Macks Ølbryggeri, der angeblich nördlichsten Bierbrauerei der Welt, ein Muss. Bier – darauf haben auch Valerie und Sandro nach dem Abendessen Lust. Auf dem Weg ins Hotel machen Sie Halt in einem Laden und erstehen ein Sechserpack. Vor dem Genuss folgt erst einmal ein Schock: Für sechs Dosen bezahlen sie umgerechnet rund 36 Franken.
Am nächsten Morgen fahren die beiden nach Senja, eine Insel, die dank ihrer schroffen Felsen und lieblichen Buchten durchaus als Wanderparadies bezeichnet werden kann. Von dort aus geht es weiter nach Svolvær, wo die norwegische Bilderbuchidylle wartet: Sie beziehen ein kleines, rotbemaltes Häuschen mit Kamin und ohne TV. Valerie und Sandro laden ihr Gepäck ab und machen sich auf, um die Gegend zu erkunden. Im Børsen Spiseri, einem sehr beliebten Restaurant, kehren sie ein, um sich mit einer lokalen Spezialität zu verköstigen. Dem Stockfisch – getrocknetem Kabeljau. Im Frühling schwimmen sie zur Eiablage von der arktischen Barentssee in die wärmeren Gefilde der Lofoten. Für die Fischer bedeutet dies, dass die Hauptsaison beginnt. Das macht sich je nach Jahreszeit auch olfaktorisch bemerkbar, denn die unzähligen Fische werden draussen auf Holzgestellen, so genannten Stokk, zum Trocknen aufgehängt. Nach rund zehn Wochen sind sie abnehmbereit und heissen aufgrund der Konservierungsmethode nun Stokkfisk, oder auf Deutsch eben Stockfisch.
Bei einer Zigarettenpause unterhalten sich Valerie und Sandro mit einem Einheimischen. Er erzählt ihnen, dass der Fischfang schon seit Jahrtausenden Tradition hat und massgeblich zur wirtschaftlichen Entwicklung des Landes beigetragen hat. Auch in der Kultur sei er fest verankert. Eine Ode an den Stockfisch (Englisch Cod) etwa, sei das alljährliche Codstock-Festival in Henningsvaer. Verbreitet sei auch der Spruch «In Cod we trust», scherzt der Mann.
Auf dem Weg ins südliche Reine besuchen Valerie und Sandro den Haukland Beach, auf der Insel Vestvågøya. «Das ist mein absolutes Highlight», schwärmt Valerie. So klares Wasser und weissen Sand habe sie nicht mal auf den Seychellen gesehen. Auf derselben Insel befindet sich auch die berühmte Surfschule Unstad Arctic Surf. 1963 von den Norwegern Thor Frantzen und Hans Egil Krane gegründet, lockt sie heute Wellenreiter aus der ganzen Welt an – und das das ganze Jahr lang, sogar im Winter. In dicken Neoprenanzügen werfen sie sich mit ihren Brettern in die hohen Wellen und trotzen der Naturgewalt. Man könnte glatt vergessen, dass sich ein paar Hundert Kilometer entfernt der Polarkreis befindet, findet Valerie. So faszinierend der Anblick auch ist, tauschen möchten die beiden mit den Surfern nicht. Dafür ist es ihnen schlicht zu kalt, denn das Wasser wird selbst in den Sommermonaten nicht wärmer als zwölf Grad
Stattdessen kuscheln sie sich tiefer in ihre warmen Jacken und begeben sich am späten Abend auf einen Spaziergang. Und plötzlich ist «es» da. Erst ganz sanft und kaum wahrnehmbar, dann immer stärker und kräftig leuchtend: das Nordlicht. In seiner Schönheit kaum zu übertreffen und doch so bescheiden und natürlich. Für einen Moment sind sie sprachlos. Typisch nordisch, finden die Schweizer.
Fotos: Valerie Hohl; DER Touristik Suisse AG Text: Magdalena Ostojic